Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH

Ein Film ist erst ein Film, wenn alle an derselben Stelle lachen oder den Atem anhalten können!
Menschen mit Hör- und Sehbehinderung bleibt aber nur dann nicht das Lachen im Hals stecken oder können bei einem fiesen Geräusch erschaudern, wenn es für den Film eine barrierefreie Fassung gibt.

Was ist eine barrierefreie Filmfassung?

Eine barrierefreie Fassung eines Films ist eine Endfassung des Films mit jeweils einer Version mit deutschen Untertiteln für Menschen mit Hörbehinderungen und mit deutscher Audiodeskription für Menschen mit Sehbehinderungen in marktgerechter und für die jeweilige Auswertungsstufe geeigneter Qualität.

Was ist eine Audiodeskription?

Die Audiodeskription macht für blinde und sehbehinderte Filmfans Sichtbares hörbar.

Bei der akustischen Filmbeschreibung, der sogenannten Audiodeskription (AD), werden alle visuellen Eindrücke, die für das Verständnis und das ästhetische Erleben des Films relevant sind, in Sprache übersetzt. Dazu gehören Schauplätze, Landschaften, Lichtstimmungen, Beschreibungen der Figuren, deren Handlungen, Mimik und Gestik. Aber auch filmische Stilmittel, Kameraführung und Bildaufbau werden vermittelt. Der beschreibende Text – knapp, präzise und in einer lebendigen Sprache – wird von professionellen Sprecherinnen und Sprechern in die Dialogpausen eingesprochen. Durch das Zusammenspiel von Dialogen, Geräuschen, Musik und den eingesprochenen Beschreibungen entsteht so aus einem Film ein „Hörfilm“.

Was sind erweiterte Untertitel, die SDH?

Die SDH, Subtitles for the Deaf and Hard of Hearing, machen für schwerhörige und gehörlose Filmbegeisterte Hörbares sichtbar.

Bei den SDH gilt es, das Audio eines Films in geschriebene Worte zu fassen. Dabei spielen Lesegeschwindigkeit, Leserhythmus, Textreduktion, Textaufteilung und Schnitt eine wichtige Rolle. Alle für das Filmverständnis relevanten akustischen Informationen müssen erwähnt und beschrieben werden. Das betrifft Geräusche, Musik (z.B. Musikstil und Instrumente), sowie Informationen darüber, wie gesprochen wird, und die Sprecherinnen und Sprecher-Identifizierung. Der Text wird mithilfe einer spezifischen Untertitelungssoftware an den richtigen Stellen positioniert und formatiert. Im Zusammenspiel und Zusammenwirken der Untertitelung des Gesprochenen, der Musik- und Geräuschuntertitel, beschreibender Zusätze zum Dialog und zur Identifizierung der Sprechenden wird aus dem Film ein „Sehfilm“.

Ein weißes Smartphone mit weißen Kopfhörern liegt auf der Armlehne eines roten Kinosessels. Auf dem Display deutet sich das Logo der App Greta an.
Fotografie: Andi Weiland | www.andiweiland.de

Wie kommt die barrierefreie Filmfassung in die Ohren beziehungsweise vor die Augen des Zielpublikums?

Im Regelfall liegen die produzierten ADs und SDH als entsprechende Spuren auf den DCPs, den Digital Cinema Packages, die an die Kinos ausgeliefert werden.

Allerdings sind bundesweit nur eine Handvoll der Säle technisch so ausgestattet, dass auf die gewünschte Fassung zugegriffen werden kann.
Im Kinosaal funktioniert der tatsächliche Zugang zur Barrierefreien Filmfassung eigentlich nur über eine kinounabhängige App, wie zum Beispiel die Greta App.

Wie funktioniert die Greta App?

Die App Greta macht Audiodeskriptionen und erweiterte Untertitel (SDH) zugänglich und bietet eine Hörverstärkung an, in jedem Kino, in jedem Saal, zu jeder gewünschten Vorstellung – einfach mit dem eigenen Smartphone!

Die App ist bei Google Play für Android und im App Store für iOS kostenlos erhältlich.

Vor dem Kinobesuch lädt sich das Zielpublikum die AD oder SDH des ausgewählten Films herunter und startet im Kinosaal die App. Die synchronisiert sich automatisch mit dem Filmton und spielt die AD über Kopfhörer und die SDH auf dem Display ab.

Weitere Infos unter www.gretaundstarks.de

Eine Frau von hinten in einem dunklen Kinosaal. Neben ihr lehnt ein Langstock, sie trägt große Kopfhörer.
Fotografie: Andi Weiland | www.andiweiland.de

Warum gibt es für internationale Arthouse-Filme so gut wie nie eine barrierefreie Fassung?

Das liegt zum einen an der im Ansatz zwar sehr guten, aber viel zu eng gefassten und einzigen Regelung der barrierefreien Filmfassung in § 47 FFG. Diese Vorschrift erfasst nicht einmal alle deutschen Produktionen (z.B. die ohne öffentliche Förderung produzierten) und der internationale Film bleibt ganz außen vor.

Daran hat sich auch mit dem neuen Filmförderungsgesetz nichts geändert.
Diese ernüchternde Bilanz schreit also nach einer Erweiterung des deutschen und besonders des internationalen barrierefreien Filmangebots! Laut Artikel 30 der UN-Behindertenrechts-Konvention ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben, ausdrücklich auch der Zugang zu Filmen, sicherzustellen! Es kann nicht im Sinne dieser Vorschrift sein, den Begriff „Filme“ allein auf „deutsche Filme“ zu beschränken.

Und wie könnte diese Erweiterung erreicht werden?

Mit einem extra und unkompliziert gestalteten Fördertopf! Die Gelder könnten z.B. vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder von dem/ der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien kommen. Beide sind auch für Integration und Inklusion im Allgemeinen und der kulturellen im Besonderen zuständig. Angesiedelt werden könnte dieser Topf wie schon der barrierefreie deutsche Film bei der FFA (Filmförderungsanstalt).

So könnten unabhängige Verleiher unterstützt werden, die ihre internationalen Arthouse-Filme mit meistens unter 100 Kopien in die Kinos bringen.
Bei dieser Gelegenheit sei noch erwähnt, dass es ohne das vorbildliche Engagement von Warner, Universal und Disney, die seit Jahren all ihre Filmtitel über eine App barrierefrei zugänglich starten, beim internationalen Film ganz düster aussähe.

Und noch ein Ansatzpunkt:
Viele internationale Filme werden später vor allem bei der ARD, dem ZDF und ARTE mit einer barrierefreien Fassung ausgestrahlt. Warum funktioniert das erst im TV und nicht bereits zum Kinostart?

Was sind die Kriterien für unsere Filmauswahl?

Auch nach dem Ausschluss von Filmen mit einer sehr hohen Auflage bleiben immer noch mehr als genug von den vielen internationalen Filmproduktionen übrig.

Bei unserer Recherche versuchen wir, Filme herauszupicken, die möglichst viele Leute begeistern könnten. Ein guter Hinweis dafür ist es, wenn ein Film bereits in seinem Herkunftsland und auf nationalen wie internationalen Filmfestivals von Publikum und der Filmkritik gleichermaßen gefeiert wurde. Das trifft sehr oft bei Filmen zu, die humorvoll mit geistreichen Dialogen, Wortwitz und Situationskomik auch ernste Themen auf die Leinwand bringen. Wir geben uns alle Mühe, solche Perlen der Filmkunst zu erwischen!

Aber müssen blinde und gehörlose Menschen denn unbedingt ins Kino?

Sie müssen nicht, aber sie wollen!

Und was gibt es Schöneres, als mit Freunden oder der Familie ins Kino zu gehen und anschließend in einer gemütlichen Runde über die Filme zu sprechen, die in aller Munde sind? Nicht zu vergessen ist auch, dass viele Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung einmal mehr oder weniger gut sehen und hören konnten. Und soll dann plötzlich mit Kino einfach Schluß sein? Natürlich nicht!

Und hier ein paar Zahlen, zu finden auf den Webseiten des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, des Deutschen Gehörlosenbundes und des Schwerhörigenbundes:

Über 600.000 blinde und sehbehinderte Personen dürften in Deutschland leben.
80.000 Menschen sind schätzungsweise gehörlos und 13,4 Millionen hörbeeinträchtigt.

Wann ging die Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH an den Start?

Im Dezember 2015 waren alle rechtlichen Hürden genommen und am 6. Januar 2016 wurde der Vertrag notariell beurkundet.

Seit Februar 2016 ist die Kinoblindgänger als gemeinnützige GmbH im Handelsregister eingetragen.

Das Zauberwort „gemeinnützig“ war dabei die Herausforderung und bedeutet auch, dass wir steuerlich abzugsfähige Spendenbescheinigungen ausstellen können!

Unsere Satzung ist hier zu finden:

Satzung der Kinoblindgänger gGmbH

 

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